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Die Digitalisierungsstrategie der Arbeits- und Sozialverwaltung

Ein Beitrag von Vera Bade | Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Adobe Stock / Andery Popov

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat sich zum Ziel gesetzt, den Aufwand für Behörden, Institutionen sowie Bürgerinnen und Bürger beim Ausfüllen und Einreichen von Anträgen klar zu reduzieren. Dazu gehörte auch, eigene Strukturen und Prozesse grundlegend zu hinterfragen, neu zu denken und konsequent „digital by design“ und inklusiv zu gestalten. Dafür wurden alle Behörden und Träger der Arbeits- und Sozialverwaltung zur Erarbeitung einer gemeinsamen Digitalisierungsstrategie eingeladen.

Am 22. April 2024 veröffentlichte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die Digitalisierungsstrategie der Arbeits- und Sozialverwaltung. Mit 60 priorisierten Maßnahmen werden das BMAS und sieben weitere Behörden und Träger ihre Prozesse weiter digitalisieren, so weit wie möglich automatisieren und so den Zugang zu Leistungen und Unterstützungsangeboten für Menschen und Unternehmen erleichtern. Dabei wird verstärkt behördenübergreifend zusammengearbeitet und eine digitalfreundliche Transformations- und Innovationskultur geschaffen. Das betrifft die gesamte Arbeits- und Sozialverwaltung und damit die Ansprüche vieler Bürgerinnen und Bürger.

Unsere Ziele

„Mit der Digitalisierungsstrategie geben wir der Arbeits- und Sozial­verwaltung bis zum Jahr 2030 einen klaren Kurs. Wir setzen auf moderne digitale Angebote, die den Bürgerinnen und Bürgern den Alltag leichter machen“, so umriss Bundesminister Hubertus Heil seine Erwartungen.1

Die Arbeits- und Sozialverwaltung steht für Sicherheit, besonders in Umbruchs- oder Krisenzeiten des Lebens. Die neuen Möglichkeiten der digitalen Transformation sollen noch intensiver zum einen für einen möglichst leichten Zugang zu Unterstützungsangeboten und Leistungen und zum anderen zu einer guten Abstimmung der Verwaltungen untereinander genutzt werden.

Dazu gehört auch, dass wir unsere eigenen Strukturen und Prozesse grundlegend hinterfragen, neu denken und konsequent „digital by design“ und inklusiv gestalten. Wichtig ist: Innovative und ambitionierte Datennutzung und Datenschutz bedingen einander. Ziel muss es sein, den Aufwand beim Ausfüllen und Einreichen von Anträgen klar zu reduzieren. Das gelingt uns nur durch die konsequente Ausrichtung unserer Angebote auf die Bedürfnisse der Nutzenden.

Kollaborativer und agiler Erarbeitungsprozess

Diese Ziele vor Augen hat das BMAS einen in dieser Form neuen Ansatz gewählt und alle Behörden und Träger der Arbeits- und Sozialverwaltung zu einem agilen und kollaborativen Prozess zur Erarbeitung einer gemeinsamen Digitalisierungsstrategie eingeladen.

Beteiligt haben sich neben dem BMAS die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), die Bundesagentur für Arbeit (BA), die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), die Berufsgenossenschaft für die Bauwirtschaft (BG Bau), die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Bundesminister Heil hatte zu Beginn des Prozesses einige Anliegen formuliert, die in die Diskussionen eingeflossen sind:

  • Zeitgemäßes und leistungs­fähiges Behörden-Ökosystem
  • Strukturen und Prozesse „digital by design“
  • Verfallsdatum für analoge Prozesse
  • Ganzheitliche Dateninfrastruktur und -Governance
  • Once-Only-Prinzip (Schritt
  • für Schritt)
  • So viel Automatisierung wie möglich
  • Schriftformerfordernisse abbauen
  • Anschlussfähigkeit an euro­päische Standards
  • Hohes Ambitionsniveau der Digitalisierungsstrategie
  • Verwaltungsausbildung und -kultur modernisieren

In einer übergreifenden Projektgruppe von interdisziplinären Expertinnen und Experten der beteiligten Institutionen wurden sodann in monatlichen Strategieworkshops die Inhalte diskutiert und erarbeitet.

Inhalte der Digitalisierungsstrategie

Ausgehend von der Vision „Für gute Arbeit und soziale Sicherheit: Die Leistungen der digitalen Arbeits- und Sozialverwaltung sind für Menschen und Unternehmen schnell und einfach zugänglich und erleichtern so deren Alltag.“ 2 wurde in der Mission das Fundament zur digitalen Ausrichtung der Arbeits- und Sozialverwaltung festgelegt: „Wir begleiten Menschen in allen Lebensphasen sowie Unternehmen und Institutionen mit einer nutzendenzentrierten, nachvollziehbaren und barrierefreien Leistungserbringung. Zu diesem Zweck arbeiten wir träger- und behördenübergreifend gut vernetzt zusammen und bauen Datenaustausch, gemeinschaftliche Datennutzung und Automatisierung aus. Dafür schaffen wir gemeinsame Standards und Prozesse für eine gute und sichere Infrastruktur und stellen dabei die Anschlussfähigkeit an europäische und internationale Vorhaben und Standards sicher. Wir denken über unser Handeln und Wirken nach innen und außen von Anfang an in digitalen Zusammenhängen. Dazu passen wir unsere Strukturen und Prozesse entsprechend an, stärken unsere digitalen Kompetenzen sowie die der Nutzenden, lernen voneinander und treiben den digitalen Kulturwandel voran.“ 3 (s. Abb. 1).

Identifiziert wurden drei zentrale Handlungsfelder, in denen die digitale Transformation wirken soll. Sie unterscheiden sich im Blickwinkel und fokussieren zum einen (1) mit nutzendenzentrierten Angeboten und volldigitalisierten Abläufen auf die Interaktion der Arbeits- und Sozialbehörden mit Menschen und Arbeitgebenden, zum anderen (2) auf das ebenen- und behördenübergreifende Zusammenwirken zwischen den Behörden der Arbeits- und Sozialverwaltung und zuletzt (3) auf die  digitalfreundliche Transformations- und Innovationskultur innerhalb der Behörden. 13 strategische Ziele beschreiben, wie das angestrebte Ambitionsniveau mit Maßnahmen erreicht werden sollen (s. Abb. 2).

Vera Bade, BMAS, Die Digitalisierungsstrategie des BMAS. Abb. 1: Kernelemente der Digitalisierungstrategie, Abb. 2: Strategische Ziele nach Handlungsfeldern.

Im ersten Handlungsfeld ist die Perspektive und Beteiligung der Nutzenden – konkret: der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Arbeitgebenden, die mit den Behörden in Kontakt treten – zentraler Anknüpfungspunkt. Für diese sollen die Behörden und Services unter Nutzung digitaler Möglichkeiten einfach und zugleich datenschutzsicher zugänglich sein, wobei zum Beispiel für Ältere auch analoge Wege erhalten bleiben sollen. Bei aktuellen Prozessen müssen Verbesserungspotenziale gehoben werden.

Im zweiten Handlungsfeld stehen der rechtliche Rahmen sowie die technischen Möglichkeiten für eine übergreifende Datennutzung im Zentrum sowie das Ziel Interoperabilität zu ermöglichen, auch mit Blick auf grenzübergreifende Zusammenarbeit im europäischen und internationalen Kontext.

Das dritte Handlungsfeld fokussiert auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeits- und Sozialverwaltung selbst und setzt Ziele für Kompetenzaufbau und neue Arbeitsweisen im digitalen Wandel. Innovationsräume sollen hier Erprobungsmöglichkeiten schaffen. Vor dem Hintergrund der Demographie soll all dies zu einer effektiveren Nutzung der Personal­ressourcen beitragen.

Umsetzung der Digitalisierungsstrategie

Dem kollaborativen und agilen Ansatz entsprechend erfolgt die Strategieumsetzung dezentral; das BMAS übernimmt das Monitoring. Die verstetigte Projektgruppe und themenbezogene fachliche Communities begleiten die Umsetzung.

Maßnahmen

Der Start mit 60 priorisierten Maßnahmen zielt auf einen schnellen und spürbaren Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Mitarbeitende. Die nachfolgenden Beispiele orientieren sich an den für die AWV gegebenenfalls interessanten Themen.

Beispiele Handlungsfeld 1

Weiterentwicklung der Meldeverfahren – Wir optimieren die bereits digitalisierten Meldeverfahren in der Sozialversicherung auf der Basis von Prozessanalysen und Nutzendenbefragungen.

KI-basierte Unterstützung für zielgenaue Unfallprävention – Wir führen bei der gesetzlichen Unfallversicherung KI-gestützte Geschäftsprozesse in der Heilverfahrenssteuerung und Präventionsarbeit ein. Ein Beispiel hierfür ist das BG BAU-Projekt: „KI-basierte Unterstützung für zielgenaue Unfallprävention“, um gute Arbeit für die Beschäftigten durch effiziente Aufsicht durch Unfallversicherungsträger zu gewährleisten.

Verständliche Behördensprache – Komplizierte Bescheide und Behördensprache können die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern erschweren. Wir entwickeln deshalb einen KI-basierten Assistenten, der komplizierte Formulierungen in behördlichen Schreiben automatisch erkennt, visuell markiert und Vorschläge für Vereinfachungen generiert. Auf diese Weise machen wir Verwaltungshandeln verständlicher und fördern so die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger.

KI-Leuchtturmprojekte – Wir fördern auch weiterhin aktiv KI-Leuchtturmprojekte: Die DRV Bund ist ein Beispiel. Dort unterstützt KI bei der Arbeitgeberprüfung und macht Vorschläge für Prüfschwerpunkte.
AG Digitalisierung/Automatisierung Mit der AG Digitalisierung/Automatisierung pilotieren wir ein Format zur systematischen und effizienten Digitalisierung von Verwaltungsprozessen. In einem Team aus Nutzenden sowie Expertinnen und Experten aus den Bereichen Organisation, Recht und Technik werden Prozesse konsequent neu und digital gedacht.

Beispiele Handlungsfeld 2

Schriftformerfordernis – Wir prüfen, wo wir auf bestehende Schriftformerfordernisse verzichten können, um rechtsgeschäftliche Handlungen in Zukunft nicht mehr nur papiergebunden erbringen zu lassen, sondern auch in elektronischer Form.

Once-Only-Prinzip – Wir möchten unseren Nutzenden eine einfache und schnelle Nachweiserbringung im Rahmen der Antragsstellung ermöglichen, indem wir das Once-Only-Prinzip im Sozialrecht gesetzlich verankern.

Digitalcheck – Im Rahmen der Durchführung des Digitalchecks für Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen wir konsequent die Ende-zu-Ende-Sicht, streben also eine möglichst vollständige Digitalisierung von Prozessen und Verfahren an.

Netzwerk KI in der Arbeits- und Sozialverwaltung – Um den verantwortungsvollen KI-Einsatz und den Schutz sensibler Daten der Bürgerinnen und Bürger voranzutreiben, hat das BMAS das „Netzwerk KI in der Arbeits- und Sozialverwaltung“ ins Leben gerufen. Die teilnehmenden Behörden und Träger diskutieren hier Best-Practices und Herausforderungen und arbeiten gemeinsam an Lösungen, wie aktuell an der Weiterentwicklung der Leitlinien für den Einsatz von KI in der Arbeits- und Sozialverwaltung. Das BMAS fördert dafür auch gezielt KI-basierte Modernisierungsprojekte bei den Trägern.

Erprobung digitaler Entsendebescheinigungen – Wir erproben den digitalen Abruf und die Bereitstellung europaweit verifizierbarer digitaler Nachweise am Anwendungsfall „Entsendebescheinigung (A1)“. Im Rahmen des Large Scale Pilots „DC4EU“ der DRV Bund erarbeiten wir gemeinsam mit anderen deutschen und europäischen Einrichtungen konkrete Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Sozialversicherung.
Einbindung in die Telematik Infrastruktur Auf Basis der entsprechenden Neuregelungen im Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz, DigiG) werden die Unfallversicherungsträger eng in die Telematik Infrastruktur eingebunden.

Beispiel Handlungsfeld 3

Innovationsraum Datenlabor – Wir fördern die Entwicklung innovativer datengetriebener Projekte im Bereich Arbeits- und Sozialpolitik durch das BMAS-Datenlabor, z. B. durch Datenvisualisierungen in Form von Dashboards und die Nutzung von maschinellem Lernen zur Verbesserung der Datenqualität. Um diese Innovationen zu verankern, schaffen wir ein aktives behördenübergreifendes Netzwerk zum Austausch über erfolgreiche Digitalisierungsprojekte, Best Practices und Hindernisse bei der Digitalisierung.

 


 

1 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Abteilung Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft: BMAS veröffentlicht Digitalisierungsstrategie der Arbeits- und Sozialverwaltung, 22.04.2024, online  [21.11.2024].
2 BMAS (Hg.): Digitalisierungsstrategie der Arbeits- und Sozialverwaltung, Dezember 2023, S. 4, online [21.11.2024].
3 Ebd., S. 15.

 

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