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Verbesserungsmöglichkeiten von behörd­lichen Dienstleistungen in Deutschland – Ansatzpunkte aus den Lebenslagenbefragungen 2023

Ein Beitrag von Sylvana Walprecht und Arthur Röser | Statistisches Bundesamt (Destatis)

Adobe Stock / Urupong

Über die Lebenslagenbefragungen erhebt das Dienstleistungszen­trum der Bundesregierung für Bessere Rechtsetzung im Statistischen Bundesamt seit 2015 im Auftrag der Bundesregierung(1) im zweijährlichen Rhythmus die Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen in Deutschland.

Die Abfrage der subjektiven Einschätzungen der Betroffenen ergänzt seitdem die flächendeckende objektive Erhebung ihrer Aufwände in Form von Kosten und aufgebrachter Zeit.2 Der vorliegende Artikel stellt die zentralen Ergebnisse der aktuellen Welle der Lebenslagenbefragungen im Hinblick auf Ansatzpunkte für Verbesserungen vor.

Methodik der Lebenslagenbefragungen

Die aktuellste Lebenslagenbefragung fand 2023 und damit zum fünften Mal statt, wobei zuletzt rund 7.500 Bürgerinnen und Bürger und 3.100 Unternehmen telefonisch und online detailliert Auskunft zu ihren Behördenkontakten innerhalb der letzten zwei Jahre gaben.

Im Interview werden die Befragten zunächst danach gefragt, ob eine Reihe von sogenannten Lebenslagen, also Lebenssituationen, in denen typischerweise Behördenkontakte anfallen, innerhalb der letzten zwei Jahre auf sie zutrafen. Die Palette reicht dabei bei der Bevölkerung von der Geburt eines Kindes über die Steuererklärung bis hin zum Tod eines nahestehenden Menschen (s. Abb. 1) und bei den Unternehmen von der Gründung über die Einstellung von Beschäftigten bis zur Geschäftsaufgabe (s. Abb. 2). Anschließend wird noch genauer eingegrenzt, mit welchen Behörden die Betroffenen dabei im Kontakt standen und um welche Dienstleistungen es ging. Die Auswahl der abgefragten Leistungen basiert dabei auf der regelmäßigen Recherche der häufigsten Behördenkontakte von Bevölkerung und Unternehmen.

Abb. 1: Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen 2023 nach Lebenslage – Bürgerinnen und Bürger 

Abb. 2: Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen 2023 nach Lebenslage – Unternehmen 

Für zufällig ausgewählte Behördenkontakte werden nach dem beschriebenen Screening Detailinterviews durchgeführt. Dabei geht es zum Beispiel darum, in welcher Form die Befragten mit den Behörden im Kontakt standen, wie sie sich informierten und wie zufrieden sie insgesamt und im Hinblick auf 17 verschiedene Faktoren von der Fachkompetenz der Beschäftigten bis hin zur Verständlichkeit der Formulare mit der behördlichen Leistungserbringung waren (s. Abb. 3).

Abb. 3: Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen 2023 nach Faktor

Die Methodik der Stichprobenziehung, die Interviewstruktur im Detail und punktuelle Änderungen am Fragebogen im Zeitverlauf zur Steigerung der Nutzbarkeit der Befragungsergebnisse sind in diversen Publikationen dokumentiert.3 So gab es beispielsweise während der Corona-Pandemie Sonderfragen zum Effekt der Pandemie auf die behördlichen Kontakte und das Thema Digitalisierung wurde mit der Zeit immer ausführlicher abgefragt. 2023 wurden des Weiteren das erste Mal die Zufriedenheit mit der Teilnahme an Gerichtsprozessen und mit der Grunderwerbsteuererklärung abgefragt und neue Fragen zur Bearbeitungsdauer und Komplexität in den Fragebogen aufgenommen.

Die aktuellen Fragebögen und zentralen Auswertungsergebnisse sind auf der Website www.amtlich-einfach.de abrufbar.4 Dort sind die Broschüren und Tabellenbände verlinkt und in naher Zukunft sollen interaktive Grafiken mit weiteren Ergebnissen folgen. Des Weiteren ist ein Sondervortrag mit Detailanalysen zur Digitalisierung über die Website des IAW einsehbar.5 Darüber hinaus haben alle Bundesministerien die Ergebnisse zu den Dienstleistungen in ihrem Zuständigkeitsbereich erhalten, um hieraus ggfs. Folgemaßnahmen ableiten zu können. Weiterhin können die faktisch anonymisierten Rohdaten der Lebenslagenbefragungen für wissenschaftliche Zwecke im Forschungsdatenzentrum des Bundes und der Länder beantragt werden und das Statistische Bundesamt erstellt auf Anfrage auch Sonderauswertungen mit den Daten. Eine kleine Auswahl der zentralen Befragungsergebnisse ist für Interessierte im Folgenden dargestellt.

Zentrale Ergebnisse

Auf der fünfstufigen Skala von -2 (sehr unzufrieden) bis +2 (sehr zufrieden) waren die Befragten 2023 insgesamt im Mittel zufrieden mit ihren Behördenkontakten bei einem Wert von 1,0. Behörden erhalten seit 2015 ein gutes Gesamtzeugnis von Befragten.

Gleichzeitig gibt es deutliche Unterschiede in der Zufriedenheit je nach Lebenslage. So stuften die Bürgerinnen und Bürger die Beantragung von Ausweisdokumenten mit einem mittleren Zufriedenheitswert von 1,4 als am wenigsten und die Beteiligung an einem Gerichtsverfahren mit 0,5 am meisten als verbesserungswürdig ein (s. Abb. 1).

Unternehmen beurteilten die Ausbildung mit 1,4 am besten und den Bau einer Betriebsstätte mit 0,6 am kritischsten im Vergleich der Lebenslagen (s. Abb. 2). Geht man noch tiefer in die Daten herein, so lassen sich auch spezifische behördliche Dienstleistungen ausmachen, die insgesamt und mit Blick auf besonders viele Faktoren kritisch abschnitten. So stuften die Befragten die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Beantragung von BAföG (mittlere Zufriedenheit von 0,6) und dessen Rückzahlung (0,7), der Genehmigung von (Um-)Bauten (0,2 bis 1,0 je nach Prozessschritt) und dem Einstellen von Beschäftigten aus dem Ausland (0,6 bis 0,7) als besonders kritisch ein.

Darüber hinaus zeigen sich deutliche Unterschiede in der Zufriedenheit mit den einzelnen abgefragten Faktoren (s. Abb. 3). Von diesen beurteilten die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen die Diskriminierungsfreiheit und Unbestechlichkeit mit mittleren Zufriedenheitswerten von 1,6 bis 1,9 jeweils am vergleichsweise besten. Dagegen bewerteten die Bürgerinnen und Bürger die Verständlichkeit des Rechts mit 0,5 und die Online-Angebote mit 0,6 am kritischsten. Bei den Unternehmen schnitten hingegen die Verständlichkeit des Rechts mit 0,3 und die Wartezeiten mit 0,4 am schlechtesten ab.

Die Befragungsdaten ergeben auch tiefergehende Erkenntnisse zum Thema Digitalisierung. So nahm die zumindest teilweise Nutzung von Online-Antragsverfahren im Zeitverlauf immer mehr zu – bei den Bürgerinnen und Bürgern von 44 % im Jahr 2019 auf 64 % im Jahr 2023 und bei den Unternehmen von 87 % im Jahr 2019 auf 91 % im Jahr 2023. Gleichwohl kam es zuletzt bei 56% der genannten digitalen Kontakte der Bürgerinnen und Bürger und bei 42 % bei den Unternehmen noch zu Medienbrüchen.

Auf die Frage nach ihren bevorzugten Formaten bei Behördenkontakten wünschen sich sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen gleichwohl noch mehr Online-Kontakte gegenüber insbesondere der Kommunikation per Brief. Zudem ist das Internet die am häufigsten genutzte Informationsquelle zu Behördenkontakten in beiden Befragtengruppen mit jeweils knapp über 50 % der Befragten.

Weitere Ansatzpunkte für Verbesserungspotenzial liefern die Antworten der Befragten auf die Gründe für eine etwaige Unzufriedenheit mit ihren Behördenkontakten: Hier wurden am häufigsten besonders lange Warte- und Bearbeitungszeiten, komplexe Verfahren und fehlende Informationen als Gründe aufgeführt.

Die Bearbeitungszeit bei den Behörden wurde 2023 erstmals abgefragt und lag laut den befragten Bürgerinnen und Bürgern im Median über alle Interviews bei 28 Tagen und bei den Unternehmen bei 21 Tagen. Die Spanne reichte gleichwohl von wenigen Sekunden bis hin zu in Einzelfällen besonders langen Prozessen, welche mehrere Jahre lang gingen. Demgegenüber betrug der Zeitaufwand bei den Befragten selbst im Schnitt rund vier Stunden – sowohl bei den Bürgerinnen und Bürgern als auch bei den Unternehmen. Auch hier ist die Spannbreite zugleich sehr groß mit jeweils einer Minute bis zu drei Monaten. Beides offenbart noch Verbesserungspotenzial.
 
Auch in einer Regressionsanalyse bestätigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Einfachheit eines Kontaktes, sowie dessen Verfahrensdauer und der Güte der Informationsbereitstellung auf der einen und der Zufriedenheit mit dem Kontakt insgesamt auf der anderen Seite. Daneben spielen demnach aber zum Beispiel auch noch die Zielerreichung und die Fachkompetenz der Beschäftigten eine entscheidende Rolle für die Zufriedenheit der Befragten.6

Ausblick

Dank der Lebenslagenbefragungen liegen umfassende Erkenntnisse zur Zufriedenheit von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen mit den wesentlichen behördlichen Dienstleistungen in Deutschland vor. Insgesamt schneidet die öffentliche Verwaltung laut den Befragungsergebnissen unverändert gut ab. Gleichwohl gibt es diverse Bereiche, in denen Verbesserungen aus Befragtensicht noch nötig sind, wie etwa bei bestimmten Dienstleistungen, z. B. im Zusammenhang mit dem BAföG, der Beantragung von Baugenehmigungen oder dem Einstellen von Beschäftigten aus dem Ausland oder allgemein sowohl bei der Digitalisierung als auch der stärkeren Automatisierung und damit Vereinfachung und Beschleunigung von Verwaltungsverfahren, sowie bei der Informationsbereitstellung über das Internet. Die in diesem Artikel aufgezeigten Ergebnisse liefern Ansatzpunkte für Verbesserungsmöglichkeiten. Bei Bedarf sind zudem noch tiefergehende Analysen der Daten möglich, um hier weiter ins Detail zu gehen.


 

1 Vgl. Bundesregierung: Arbeitsprogramm Bessere Rechtsetzung 2014 (Kabinettbeschluss vom 4. Juni 2014), online [20.11.2024].
2 Vgl. Susanne Hillen et al.: Vom Standardkosten-Modell zum Dienstleistungszentrum für Bessere Rechtsetzung. In: WISTA Wirtschaft und Statistik (6)2022, S. 54 ff., online [20.11.2024].
3 Vgl. Bernd Schmidt et al.: Entlastungen spürbarer machen – Wie wird der Kontakt zur Verwaltung wahrgenommen? In: WISTA Wirtschaft und Statistik (2)2015, S. 56 ff., online [20.11.2024]; Elke Himmelsbach et al.: Methodische Grundlagen der Zufriedenheitsbefragungen zu behördlichen Dienstleistungen. In: WISTA (4)2016, S. 54 ff., online [20.11.2024]; Sylvana Walprecht et al. (2020): Nutzerorientierte Weiterentwicklung der Lebenslagenbefragungen von 2015 bis 2019. In: WISTA (5)2020, Seite 124 ff., online [20.11.2024]; Sylvana Walprecht et al. (2022): Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Digitalisierung von und Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen. In: WISTA (1)2022, S. 57 ff., online [20.11.2024]; Arthur Röser: Lebenslagenbefragung 2021 – Die öffentliche Verwaltung in Pandemiezeiten. AWV-Informationen, 68/1 (2022), S. 5–7; Ipsos Public Affairs (2023a): Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen – Bevölkerungsbefragung. Methodenbericht, 2. Fassung, online [20.11.2024]; Ipsos Public Affairs (2023b): Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen – Unternehmensbefragung. Methodenbericht, online [20.11.2024].
4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2024a): Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit behördlichen Dienstleistungen. Ergebnisse der Lebenslagenbefragung 2023, online [20.11.2024]; Statistisches Bundesamt (2024b): Zufriedenheit der Unternehmen mit behördlichen Dienstleistungen. Ergebnisse der Lebenslagenbefragung 2023, online [20.11.2024]; Statistisches Bundesamt (2024c): Datentabellen. Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit behördlichen Dienstleistungen. Ergebnisse der Lebenslagenbefragung 2023, online [20.11.2024]; Statistisches Bundesamt (2024d): Datentabellen. Zufriedenheit der Unternehmen mit behördlichen Dienstleistungen. Ergebnisse der Lebenslagenbefragung 2023, online [20.11.2024]; Statistisches Bundesamt, Ipsos Public Affairs (2023a): Lebenslagenbefragung der Bürgerinnen und Bürger 2023, Fragebogen, online [20.11.2024]; Statistisches Bundesamt, Ipsos Public Affairs (2023b): Lebenslagenbefragung der Unternehmen 2023, Fragebogen, online [20.11.2024].
5 Sylvana Walprecht: Erkenntnisse aus der Lebenslagenbefragung 2023 zur Verwaltungsdigitalisierung. Brown Bag Seminarreihe „Digitale Verwaltungsprozesse als Mittel der Entbürokratisierung“, 23.10.2024, online [20.11.2024].
6 Vgl. Sylvana Walprecht (2024).

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