Ein Beitrag von Marco Brunzel, Mitglied des AWV-Vorstandes und Co-Vorsitzender der Projektgruppe 1.2.1 „Digitalisierung und Beschleunigung raumbezogener Genehmigungsverfahren“
Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Das Spektrum reicht dabei von dringend erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnungsangebotes in den Metropolen über die grundlegende Sanierung der Verkehrsinfrastrukturen, den Ausbau der erneuerbaren Energien bis zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft bei gleichzeitiger Sicherung der industriellen Basis. Um das alles schaffen zu können, müssen vor allem Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich schneller und effizienter werden. Das erfordert einen Paradigmenwechsel im Bereich des IT-Einsatzes im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Die Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. (AWV) will diesen Prozess in den kommenden Monaten aktiv mit voranbringen.
Deutschland hat in den letzten Jahren bewiesen, dass dringend erforderliche Maßnahmen auch schnell umgesetzt werden können – insbesondere dann, wenn Politik und Verwaltung in Bund und Ländern eng zusammenarbeiten und zugleich auch die Wirtschaft frühzeitig als Partner einbinden. Gelungen ist das beispielsweise bei der Beantragung, Berechnung und Auszahlung der pandemiebedingten Überbrückungshilfen für Unternehmen – sowie jüngst bezüglich der Planung, Genehmigung und Inbetriebnahme von LNG-Terminals zur Sicherstellung der energetischen Versorgungssicherheit nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges.
Raumbezogenen Planungs- und Genehmigungsverfahren rücken in den Fokus
Inspiriert durch solche schnellen Umsetzungserfolge spricht die Bundesregierung inzwischen gern vom sogenannten „Deutschland-Tempo“ – als Metapher für die generelle Erhöhung der Geschwindigkeit bei der Bewältigung einer Vielzahl dringender Herausforderungen in Bezug auf die langfristige und klimaneutrale Sicherung von Wohlstand und Beschäftigung. Der Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung liest sich wie ein Katalog dieser Herausforderungen, die es nun nach der Corona-Pandemie und trotz des Ukraine-Krieges engagiert anzugehen gilt. Dabei rücken aktuell in zahlreichen Handlungsfeldern die raumbezogenen Planungs- und Genehmigungsverfahren besonders in den Fokus. Dabei wird offenkundig, dass Planungs- und Baubehörden in Bund, Ländern und Kommunen schon seit Jahren an und über der Belastungsgrenze arbeiten. Und mit Blick auf die generelle demografische und gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird sehr schnell klar, dass heute und in Zukunft nicht nur Fachkräfte fehlen, sondern vor allem auch neue Lösungsansätze, um die Potenziale neuer vernetzter IT-Infrastrukturen zielgerichtet nutzen zu können.
Das Wissen der Wirtschaft nutzen
Dabei gilt es auch, die Erfahrungen der Wirtschaft zu nutzen. Gerade in der Bauwirtschaft ist die digitale Transformation bereits weit fortgeschritten. Immer mehr Architekt:innen und Ingenieur:innen arbeiten auch in Deutschland längst vollständig digital. Entsprechend gehört die „Digitalisierung und Beschleunigung raumbezogener Genehmigungsverfahren“ auf der Grundlage digitaler Schnittstellen und Prozessketten zwischen Wirtschaft und Verwaltung seit Jahren zu den strategischen Fokusthemen bzw. berechtigten Forderungen der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Und auch die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und der Nationale Normenkontrollrat (NKR) haben in ihren Jahresberichten immer wieder auf die besondere Bedeutung und wirtschaftliche Hebelwirkung digitaler Genehmigungsverfahren für den Standort Deutschland hingewiesen.(1) Daher war es nur konsequent, dass die amtierende Bundesregierung – wie zuvor auch schon viele Bundesländer – das Thema aufgegriffen und sehr prominent mit entsprechenden Zielen im Koalitionsvertrag bzw. mit konkreten Maßnahmen im Nationalen Reformprogramm 2022 verankert haben. Auf dieser Grundlage wurde Ende 2022 eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Bundesländer eingesetzt, um einen entsprechenden Bund-Länder-Pakt vorzubereiten. Zu den ersten Aktivitäten der Arbeitsgruppe gehörte eine Zusammenschau der maßgeblich durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) ausgelösten Entwicklungen (s. Abb.2).
1 Vgl. u. a. die Positionspapiere von BDI, NKR, DIHK zum Referentenentwurf der Novellierung des Onlinezugangsgesetzes zu gestalten.
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