BürokraKI: Zwischen Fachverfahren und ChatGPT – Nachlese zur Memo-Tagung 2024

AWV war auch in diesem Jahr Medienpartner

Vom analogen Formular bis zum Einsatz von KI: Die MEMO-Tagung 2024, ausgerichtet von der Universität Münster, beleuchtete unter dem Titel „BürokraKI: Zwischen Fachverfahren und Chat GPT“ die gesamte Bandbreite der Verwaltungsdigitalisierung. Auch in diesem Jahr versammelten sich mehrere hundert Fach- und Führungskräfte aus der öffentlichen Verwaltung, der Wissenschaft und der Wirtschaft in Münster, um gemeinsam über innovative Lösungen und zukünftige Entwicklungen im Bereich E-Government zu diskutieren.

Eröffnung und Keynote

Julia Eisentraut, Mitglied des Nordrhein-Westfälischen Landtages, eröffnete die Tagung mit einer inspirierenden Keynote. Mit Blick auf die immensen Herausforderungen, vor denen Deutschland stehe, forderte sie eine wertegeleitete Verwaltungsdigitalisierung, bei der Kooperation und Priorisierung über Konkurrenzdenken und Aktionismus stehen sollten. Eisentraut betonte, dass vor dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zunächst eine vollständige Digitalisierung stehen müsse. Ihr Appell an die Teilnehmenden: Mutig beginnen, statt lange zu planen.

Vorträge und Diskussionen

Auch Professor Jörg Becker, Initiator der Veranstaltung, forderte in seinem Vortrag zur Registermodernisierung, nicht einfach zu hoffen, dass KI alles richten werde. Zwar sei Chat GPT ein „Gamechanger“, weil KI damit erstmals allen zur Verfügung stehe. Trotzdem hätte auch im Zuge der Registermodernisierung ein Fachkonzept in Form eines Datenmodells ein erster Schritt sein können, um den großen Herausforderungen des ambitionierten Vorhabens besser gerecht zu werden.

Digitalisierung unmittelbar vorgelebt wurde den Teilnehmenden beim nächsten Impulsvortrag, als Bundes-CIO Dr. Markus Richter, der – anders als geplant – nicht vor Ort sein konnte, live zugeschaltet wurde. In Zeiten knapper Kassen forderte er, ähnlich wie Julia Eisentraut, ein Zusammenrücken. Mehr Vernetzung, auch auf europäischer Ebene, könne auch die Verhandlungsposition gegenüber Anbietern stärken und Digitalisierung beschleunigen. Dr. Richter bedauerte, dass Digitalisierung in Deutschland noch immer zu problemfokussiert betrachtet werde und plädierte für einen verstärkten Blick auf die Chancen und Möglichkeiten.

Podiumsdiskussion

Eine angeregte Diskussion zur „Kompetenzverteilung im föderalen System“ fand unter der Moderation von Guido Gehrt (Behörden Spiegel) statt. Julia Eisentraut, Andreas Reckert-Lodde (ZenDiS), Moritz Ahlers (FITKO) und Prof. Dr. Martin Hoffmann (Gemeinde Leopoldshöhe) identifizierten digitale Sicherheit, Fachkräftemangel und knappe Finanzen als wichtigste Treiber der Digitalisierung. In der Diskussion mit dem Publikum wurde thematisiert, dass sich vor allem Kommunen bei der Digitalisierung überfordert fühlen. Um besser zu unterstützen, wurde vorgeschlagen, durch offene Standards und Schnittstellen verstärkt Möglichkeiten für die Nachnutzung von Software zu schaffen und zu prüfen, ob bestimmte Verfahren von der Kommunal- auf die Länder- oder Bundesebene übertragen werden könnten.

Prototypische Digitalisierungsmodelle

Unter dem Titel „Digitaler Wandel maßgeschneidert“ präsentierten Katrin Schüßeler, Master-Studentin eGovernment, und Dr. Philipp Willer vom IT-Verbund Schleswig-Holstein AöR am Beispiel des Wohnberechtigungsscheins und des Begrüßungsgelds ein prototypisches Digitalisierungsmodell für kommunale Leistungserbringung. Sie betonten, dass die Zukunft in digitalen Ökosystemen wie der Deutschen Verwaltungscloud liege.

Rolle des Chief Digital Officers

Stephan Jarvers vom Nationalen E-Government Kompetenzzentrum (NEGZ) berichtete über die wachsende Bedeutung der Rolle der Chief Digital Officer (CDO) und stellte den neu gegründeten CDO-Zirkel innerhalb des NEGZ vor.

Föderales Plattform-Ökosystem

Die rechtlichen Wege hin zu einem föderalen Plattform-Ökosystem skizzierten Moritz Ahlers von der FITKO und Thilak Mahendran (Agora Digital) in ihrem Beitrag. Ein häufig genanntes Hindernis der Verwaltungsdigitalisierung sei die föderale Struktur Deutschlands. In Bund, 16 Ländern und rund 11000 Kommunen habe sich über lange Zeit neben einer komplexen Verwaltungsstruktur auch eine heterogene IT-Landschaft entwickelt. Ahlers und Mahendran plädierten für das Konzept „Government as a Plattform“. Dieses ermögliche durch gezielte Zentralität in Form eines Portalverbundes mit einem Plattformkern aus Registern, Standards, IT-Basiskomponenten und Schnittstellen auch zukünftig eine Dezentralität, die aber besser zu steuern sei.

Ausblick auf die Zukunft

Professor Tobias Brandt, Mitorganisator der Tagung, warf unter der Überschrift „KI in Deutschland“ einen Blick in die Zukunft. Während die großen Player wie Google, Meta, Amazon oder Microsoft nicht nur über mehrere Jahrzehnte Erfahrungsvorsprung, sondern auch über enorme finanzielle Mittel verfügten, stünden die deutschen und europäischen Wettbewerber in beiden Feldern vor enormen Herausforderungen. So sei das Thema Digitalisierung noch immer nicht in den Lehrplänen der Verwaltungsausbildung in Deutschland angekommen und auch der „Brain-Drain“ in Richtung Ausland enorm.

Die MEMO-Tagung 2024 bot eine Plattform für regen Austausch zwischen Wissenschaft, Unternehmen und Verwaltung. Neben den Hauptvorträgen und Diskussionen wurden in zahlreichen kleinen Fachvorträgen praxisnahe Lösungsansätze und Werkzeuge vorgestellt, die besonders in der Kommunalverwaltung nutzbar sind. Die Diskussionen in den Pausen zeigten, dass das Tagungsformat aufgeht und der Austausch zwischen Theorie und Praxis erfolgreich gefördert wird.

Bild: AdobeStock/denisismagilov