Beheben Geflüchtete den Fach­kräfte­mangel? Zwei Jahre nach dem Neustart: Die Arbeits­ergeb­nisse der AWV-PG 1.6.2

Ein Beitrag von Friedrich Ebner, Co-Leiter der AWV-Projektgruppe 1.6.2 „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Asylsuchenden”

Die AWV-Projekt­gruppe 1.6.2 „Ar­beits­markt­in­te­gra­tion von Geflüch­teten und Asyl­suchen­den“ (PG) be­schäf­tigt sich seit 2015, mit einer Unter­brechung der Sitzungen von Dezember 2019 bis November 2022, mit viel­fälti­gen Fragen, Proble­men und Lö­sungs­an­sätzen bei der Inte­gration von Ge­flüch­teten und Asyl­be­wer­bern in den Ar­beits­markt.

Im September 2020 wurde dazu ein umfangreiches Handbuch für Praktiker aus öffent­licher Ver­waltung, Kammern und Zivil­gesell­schaft heraus­gegeben.(1)

Ausgelöst durch den russi­schen Angriffskrieg auf die Ukraine hat Deutschland in den Jahren 2022 und 2023 einen großen Zustrom von Ukrainerinnen und Ukrainern erlebt. Daneben hat auch die Zahl Geflüchteter aus Drittstaaten wieder zugenommen. Das Thema Arbeitsmarktintegration hat vor diesem Hintergrund von neuem an Bedeutung gewonnen und ist wieder in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit gerückt.

Die zu uns gekommenen Menschen haben, nach Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, neben Schutz und Hilfe auch das Recht auf Arbeit und auf Schutz vor Arbeitslosigkeit. Daneben gelten für die Geflüchteten aus der Ukraine die Regeln der Massenzustrom-Richtlinie (2001/55/EG) der Europäischen Gemeinschaft.

Hilfe und Schutz, das Recht auf Arbeit und die Integration in die Gesellschaft müssen durch Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft ermöglicht und gefördert werden. Einer der wichtigsten Schritte dabei ist die zügige Integration in den Arbeitsmarkt. Dadurch werden die Chancen und Möglichkeiten zur Teilhabe für Geflüchtete erhöht. Sie erhalten eine Perspektive und langfristige Sicherheit, und zugleich wird ihre Gleichstellung in der Gesellschaft gefördert. Migranten im Arbeitsmarkt fördern das Gefühl der Zugehörigkeit, tragen zum sozialen Zusammenhalt bei und können der Wirtschaft helfen.

Die PG hat sich von Beginn an mit den Möglichkeiten und Chancen, aber auch mit den Herausforderungen, Problemen und Schwierigkeiten bei der Arbeitsmarktintegration auseinandergesetzt. Das gesamte Themenspektrum Arbeitsmarktintegration wurde kontinuierlich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und einer Verbesserung der Situation von allen Beteiligten große Aufmerksamkeit geschenkt. Ansätze vieler öffentlicher Einrichtungen, insbesondere von kommunaler Seite, der Bundesagentur für Arbeit und von Jobcentern, von Institutionen und Trägern aus dem Sozialbereich, den Kammern, von Betrieben und aus der Zivilgesellschaft wurden vorgestellt, diskutiert und als „Gute Beispiele“ im PG-Netzwerk zur Verfügung gestellt. Dabei spielten rechtliche, arbeitsmarktpolitische und arbeitsmarktorganisatorische Fragen eine wichtige Rolle.

Die Vielzahl und die Vielfalt engagierter Mitwirkender auf allen Ebenen und bei allen beteiligten Stellen, Einrichtungen, Initiativen und Projekten zeigt das gesamte Spektrum der Arbeitsmarktintegration auf. Es darf nicht verschwiegen werden, dass es im Laufe der Arbeit der PG Ernüchterung, Enttäuschungen, Niederlagen, Ärger und Frust gegeben hat. Dennoch hat sich das weit gestreute Engagement in der PG kontinuierlich gehalten, sogar erweitert, und es wirkt nachhaltig.

Durch und in der Arbeit der PG wurden immer wieder große und kleine Baustellen identifiziert. Baustellen, die die Integration der helfenden Hände und klugen Köpfe erschwert, die Integration in die Länge gezogen oder sogar verhindert haben. Zu diesen Baustellen gehören insbesondere die fehlenden Sprachkenntnisse bei den Geflüchteten, hohe bürokratische Hürden, die Arbeitsmarktintegration geflüchteter Frauen, komplexe und komplizierte Verwaltungsabläufe, fehlende berufliche Qualifikation von Geflüchteten und langwierige Anerkennungsprozesse von Zeugnissen und Diplomen aus den Heimatländern. Dazu kommen schlechte Rahmenbedingen, etwa in rechtlicher Hinsicht, hinsichtlich der Wohnungssituation, hinsichtlich der Mobilität sowie im Hinblick auf die Versorgung mit Schul- und Kitaplätzen.

Fehlende Sprachkenntnisse der Geflüchteten

Sprache ist der Schlüssel zur Integration, zur Ausbildung und zur Arbeit. Sie ist das große Hemmnis für Geflüchtete, die nicht ausreichend Deutsch sprechen.

Vertreterinnen und Vertreter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nahmen regelmäßig an Sitzungen der PG teil. Sie zeigten das zukünftige Vorgehen bei der quantitativen und qualitativen Entwicklung der Integrations- und Sprachkurse auf. Dargestellt wurden die Vorgaben für die vom BAMF organisierten und finanzierten Kurse, die darauf abzielen, das Sprachniveau B1 zu erlangen. Wer dieses Ziel erreicht und gleichzeitig den Test „Leben in Deutschland“ besteht, wird als „erfolgreich“ in den Statistiken gewertet. Die Statistiken des BAMF wurden regelmäßig vorgestellt und erläutert, sowie dieZahlen und Tendenzen erklärt. Zuletzt präsentierte Benjamin Beckmann, Gruppenleiter Integrationskurse im BAMF, in der Sitzung am 29. Februar 2024 die aktuelle Statistik zu Integrations- und Sprachkursen.

Die Zahl der Teilnehmenden am Gesamtprogramm „Sprache“, das durch den Bund finanziert wird, hat sich im Zeitraum von 2015 bis 2023 wellenförmig um 280 Prozent, von 180.000 auf 517.000 erhöht.

Die Statistik „Deutschtest für Zuwanderer“ (Sprachtest, der am Ende des allgemeinen Integrationskurses absolviert wird) umfasst alle Teilnehmenden, die Prüfungen im Zeitraum von 2012 bis zum ersten Halbjahr 2023 abgelegt haben. Für den in der PG relevanten Zeitraum von 2015 bis zum ersten Halbjahr 2023 zeigt sich folgendes Bild:

  • Die zertifizierten Abschlüsse – A2 und B1 – bewegten sich zwischen 94,6 und 92,1 Prozent.
  • Die Zertifizierung B1 fiel von 72,6 auf 57,0 Prozent.
  • Die Zertifizierung A2 stieg von 22,0 auf 35,1 Prozent.
  • Die Quote „ohne zertifiziertes Niveau“, erhöhte sich von 5,4 auf 7,9 Prozent.

Eine statistische Erfassung von Teilnehmenden, die die Kurse abgebrochen haben, wird nicht vorgenommen.


1 Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V.: Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Handbuch für Praktiker aus öffentlicher Verwaltung, Kammern und Zivilgesellschaft, 2020. Hier online bestellbar.

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